Kurzgeschichten und Romane

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Mein Leben, verpackt in einer Rede zu meinem 70. Geburtstag 2020

Eine Kurzgeschichte

Oh, ich bin ein stockkonservativer Knochen – zu meiner Ehrenrettung muss ich sagen, jedoch auch sehr liberal und tolerant. Doch alles geht bei mir nach einem großen Wort meines geschätzten Parteifreundes:

Wer die Vergangenheit nicht kennt,

                        kann die Gegenwart nicht verstehen

                        und kann die Zukunft nicht gestalten.

                                                           Helmut Kohl

XX.XX.1949: Gezeugt in Liebe von Karl und Gertrud Paschhoff, in einer lauen Augustnacht, nach guter Ernte und einem anstrengenden Tag, denn am nächsten Morgen musste man wieder auf den Wochenmarkt.

05.05.50 um 15:15 Uhr, mein erster Schrei auf dieser Welt in der Kinderklinik in Bochum. Mama war glücklich, Papa selig, weil der Stammhalter da war. So selig, dass er gleich die ganze Kneipe bei „Maeder“ freigehalten hat, denn nur dort gabs ein Telefon, über das er informiert worden war.

Whiskytrinker aufgepasst: Um 03:15 Uhr spendiere ich 2cl vom GlenGrant, 1949/2014, Speyside, Single Malt Scotch Whisky, 40% Aged 65 Years,

(Es gibt ihn so spät, weil wir uns steigern wollen und der Tag halt lang ist.)

Nun, es wird allgemein bekannt sein: „Herbert hat einen Whiskyknall“. Will ich nicht abstreiten, aber für mich bitte nur mit Cola. Leider müssen wir bei der Verkostung auf 1949 ausweichen, weil es mir trotz aller Bemühungen nicht gelungen ist bei einem seriösen Anbieter einen 1950er aufzutreiben. Ansonsten habe ich bis auf 4 Ausnahmen, all meine Lebensjahre bis 2005 mit Jahrgangswhiskys belegt, insbesondere die 60er und 70er Jahre, häufig mehrfach. Wo ich in Erinnerungen schwelge, wenn ich davon einen trinke.

Auf unserem kleinen Bauernhof mit eigener Gemüsevermarktung verbrachte ich eine glückliche Kindheit. Opa war bis 1962 immer ansprechbar, dann verstarb er mit 82 Jahren. Doch auch Tante Laula (ich konnte kein „R“ sprechen für Laura) war auch immer da, denn sie wohnte im gleichen Haus. Oh, meine Mutter hatte noch 4 lebende Geschwister, mein Vater sogar 5, hier zu Hause war immer was los. Und da waren auch meine Schwester Edda und die älteren Cousinen und Cousins Helma, Siegrun, Manfred, Helmut und Werner und später kam noch mein Bruder Horst hinzu, der 1963 leider tödlich verunglückt ist.

In den 1950er Jahren hatte ich hier Kindheit pur, mit wunderbaren Freiheiten. Unser Leben spielte sich draußen ab, erst in den 60ern kamen Fernseher in Mode, wo wir Kinder am späten Nachmittag eine Stunde Kinderprogramm hatten und am Abend um sieben das „Intermezzo“ mit Serienfilmen wie, „Abenteuer unter Wasser“, oder die Samstagsfilme mit „Am Fuß der blauen Berge“, eine Westernserie. Später kam „Bonanza“ dazu, die „Waltons“ fallen mir ein, bevor ich zum Sonntag komme, wo mittags eine halbe Stunde lang amerikanische Serienfilme für uns Kinder liefen, wie „Fury“, „Rin Tin, Tin“, „Lassi“, „Flipper“ und der Gleichen. Die Stars waren Pferde, Hunde, oder Delfine. Eins hatten alle gemeinsam, am Ende der Sendung standen alle zusammen und haben gelacht.

Wer Lust hat kann in der Kellerbar noch Original-Bücher besichtigen, die ich wirklich als Kind gelesen habe. Doch, bevor es zum Fernseher ging waren wir draußen. Wenn der Kumpel nicht da war, sind wir hin und haben gefragt, ob (z.B.) Werner spielen kommt. Der kam dann auch und es ging in den nahen Bockholt, oder wir haben „Fangen“ gespielt, oder „Seilchen hüpfen.“ Knickeln war auch ganz in, mit „Kittscher = Pott“. Oh, ich gerate ins Schwärmen, wenn ich nun daran denke. Ich weiß nicht mehr wieviel Buden ich in meinem Leben gebaut habe.

Eine Geschichte ist mir besonders im Gedächtnis geblieben. Die Sache mit der Staumauer. Unsere Felder im Bockholt wurden durchgeteilt durch einen Bach. Oft hatten wir diesen Bach aufgestaut. Doch dies war nie von langer Dauer, denn das aufgestaute Wasser erreichte irgendwann die Dammkrone, überspülte sie und trug den Damm relativ schnell wieder ab.

Eines Tages fanden wir ein langes Ofenrohr mit Krümmung. Und Herbert, pfiffig wie ich nun mal bin, erkannte eine Superlösung. Wir verlängerten das kurze Rohr noch und legten es so in den Bach, dass ein Teil des Winkels, vor dem dann aufgeschütteten Damm nach oben zeigte. Nun hieß es nur noch schnell graben, was angesichts richtiger Spaten vom Hof kein Problem war. Wir mussten nur schneller sein, als das Wasser, was kein Problem war, denn das Wasser hatte einen großes Rückstaubereich. Das Stauwehr, welches wir so errichteten hatte etwa eineinhalb Meter Höhe Als die Flut nun das Ende des Rohres erreicht hatte, floss diese ins Rohr und dann am Fuß des gewaltigen Dammes in den ursprünglichen Bach weiter.

Wir hatten nur nicht mit Herrn Schneiderath gerechnet, der sich eines Morgens wunderte, dass er nicht mehr über seine Wiese konnte, weil diese völlig überspült war. Das ganze Tal war überflutet. Oh man, hat das ein Donnerwetter gegeben, denn er ist kurzerhand zu meinem Opa Albert gegangen und hat sich lauthals über den missratenen Enkel beschwert. Klar, schweren Herzen mussten wir unseren Damm wieder zerstören.

Alle Kinder waren wir gerne um Opa herum, der mit seiner Pfeife am Kohleofen in der Wirtschaftsküche vor dem Stall saß. Denn Opa hatte immer ein „Tacken“ für uns (10 Pfennig) und für den gabs 20 Knöterich oder 5 Storck Riesen. Und im Stall stand eine Kuh, 4 Schweine, Ziegen und Schafe, Hühner hatten wir natürlich auch, auch einen gutmütigen Schäferhund (Doggy) und ein Heer von Katzen, die immer wieder Junge kriegten, die wir Kinder gerne mit ins Bett nahmen. (Durften uns nur nicht von Mutter erwischen lassen.)

Daheim war, so kurz nach dem Krieg, große Not, wie wohl fast überall. Opas Haus (Nr.6) hatte schwere Bombenschäden abbekommen. Meine Eltern lebten mit uns 3 Kindern von 50 DM im Monat, hatten jedoch das Wohnen frei und Feld und Stall sorgten immer für ausreichend Nahrung. Not auf dem Teller habe ich nie kennengelernt, doch bei der Mode meiner Schulkameraden konnte ich nicht mithalten. Später, so ab dem 11. oder 12. Lebensjahr tat dies weh. Hier wurde alles gespart; „für die Hütte“, denn die war Bruch.

Volksschule, CVJM

01.04.1964: Ich begann meine Lehre als Kartograph (Landkartenzeichner) bei Prof. Hahne in der geologischen Abteilung der Westfälischen-Bergewerkschafts-Kasse (WBK) in Bochum. Ich arbeitete im Zeichensaal unter der Leitung von Herrn Werner Schloms und war 1 ½ Jahre totunglücklich. Und das kam so:

Geprägt durchs elterliche Gewerbe, meine Eltern waren eigentlich die ersten Bio-Bauern, mit Direktvertrieb auf Bochumer Wochenmärkten, hatte ich nur einen Berufswunsch: „Ich werde Gärtner!“ Denn das Wühlen im Dreck machte mir Laune, ich hatte längst auch einen eigenen kleinen Garten, wo ich auch Gemüse anbaute und auf dem Markt verkaufte. Das wenige Geld dafür durfte ich behalten, dies war natürlich toll.

Gerne erinnere ich mich auch an den Frühling, wo hier im nahen Wäldchen auf der „Hundewiese“ tausende wilde Schlüsselblumen blühten, die Werner und Peter, meine Freunde, mit mir zu hunderten gepflückt haben, die von meiner Mutter dann zu kleinen Sträußchen gebunden worden waren und für 20 Pfennig von ihr verkauft wurden. Wow, einmal konnte ich mir mit Werner über 6 D-Mark teilen, dies war für uns ein Vermögen.

Volksschule, CVJM

Oh, ich habe alles Geld immer in die Spardose getan und habe es deshalb heute immer noch. Manchmal bedaure ich, dass ich es nicht verjubelt habe, doch hätte ich dies sicherlich längst vergessen. So war es aber Grundstock für die Flasche Glenburgie 1964/2010 Highland Single Malt Scotch Whisky, 46 Jahre alt, 43 %, Natural Colors.

Die ab 01:00 Uhr zur Verfügung steht, um verkostet zu werden. Dann sind wir wohl schon längst in der Kellerbar, wo in der Fenstervitrine Original-Exponate meiner Kindheit zu sehen sind und dann an Wänden unter den Rundbögen Exponate aus meiner Jugendzeit, der Zeit dann mit der CDU und am Ende von der LBS, um schon was vorwegzunehmen.

Zurück zum Gärtner, daraus wurde bekanntlich ja nichts, denn Mama hatte was dagegen. Denn sie wusste ja was es für ein Knochenjob war, bei Wind und Wetter, und der Junge sollte es doch mal besser haben. Wollte ich aber nicht, ich hatte meine Lehrstelle bei „Blumen Thiele“ in der Tasche und war heiß entschlossen.

Bis zum Januar 1964, also zwei Monate vor der Schulentlassung. Oh, es war ein lausig kalter Tag, aber es hatte Tauwetter eingesetzt – und deshalb konnte man Porree ausmachen! Ich war fast 14 Jahre alt, natürlich musste ich mit. Um die dicken Porree-Stangen zu halten, die meine Mutter mit der Mistgabel anhob, damit ich sie aus der Erde ziehen konnte.

Jetzt müsst ihr euch eine Porree-Stange vorstellen. Dick und breit gefächert, lange Wurzeln im festsitzenden Schlamm und die Blattfächer voll Wasser aus Regen und getautem Schnee. Und der Schlamm an den Wurzeln musste weg. Und dafür musste man den Klumpen auf die Gabel schlagen. Und dabei spritzte das Wasser in alle Richtungen, das eiskalte Wasser! Vornehmlich auf meine Hände. Die so kalt waren, dass ich sie mir am liebsten in den Hintern gesteckt hätte. Lauthals habe ich gejammert und geheult, auch Tränen vergossen.

Und die Stimme meiner Mutter habe ich heute noch im Ohr: „Und so einer will Gärtner werden!“

Wollte ich nicht mehr! Nicht ums Verrecken! Alles, aber kein Gärtner!

Einige Tage später saßen wir bei der Berufsberatung: „Was willst du denn werden!“ „Weiß, nicht, nur kein Gärtner!“ „Dann machen wir erstmal einen Eignungstest. Und hier sind Adressen, da kann sich der Junge schon mal bewerben, es eilt ja.“

Ich schrieb drei Bewerbungen und machte den Eignungstest. Irgendwann trafen wir uns wieder beim Arbeitsamt. Ich hatte Stellenzusagen als Elektriker bei Elektro-Beine, Schlosser bei den Stahlwerken Bochum und Bierbrauer bei der Schlegelbrauerei. Ja, es waren goldene Zeiten des Aufbaus, Lehrlingsmangel statt Lehrstellenmangel.

Nee, Brauer, das wollte Mutter auch nicht, „da gibt’s Deputat. Was hat denn der Eignungstest ergeben?“ „Oh, Ihr Junge ist schlau, der kann alles werden!“ Große Ratlosigkeit, da ging das Telefon. Der Berater wurde ganz ehrfürchtig, ein Prof. Hahne war dran. Er suchte wohl jemanden, so viel kriegten wir mit. Mutter, als das Gespräch zu Ende war: „Was hat der Herr denn da für einen Lehrling gesucht?“ „Einen Kartographen!“ „He?“

Wir kriegten das erklärt. Mutter sog auf: „Zeichenbüro“ und „weißer Kittel“. Mehr brauchte sie nicht, das war was für mich, so beschlossen, weißer Kittel war besser als Schürze und Gummigaloschen.

Wenn sich jetzt einer wundert von den jüngeren Semestern und mich fragt: „Was hast du denn dazu gesagt?“ „He, ich war noch nicht mal 14! Da hatte man nichts zu sagen! Da wurde pariert und nach der Erfahrung der Alten gelebt!“

Und dabei bin ich saugut gefahren. Denn noch heute bin ich meiner Mutter dankbar für die Worte: „Und so einer will Gärtner werden!“ Denn nichts hasse ich mehr im Garten als Kühle oder gar Kälte. Wenn es nach mir ginge, käme vor Mai nichts in die Erde, „weil es vorher noch zu schruppig ist!“ Doch das mit dem weißen Kittel war auch eine Fehlentscheidung, dafür war der Junge auch nicht geboren. Der hätte zu einer Bank gemusst, denn hinter dem Marktstand war ich immer glücklich. Ja, handaufhalten, 40 Pfennig für einen Kopf Salat kassieren, das machte Laune.  

Na, ja, manchmal muss man auch Umwege gehen. Doch ich Naturbursche, der viel lieber Trecker fuhr und hart anpackte, war mit angespitzter Feder in der Hand, hinter einem Schreibtisch sitzend, eine Fehlbesetzung. Dies war nach 1 ½ Jahren nach der Zwischenprüfung auch dem letzten klar und weil die WBK eigentlich nur Markscheider hätte ausbilden können machte man uns das Angebot innerhalb der Kasse in die Elektro-Abteilung unter Prof. Schwemmer zu wechseln, um dort vom Elektro-Meister Gustav Wild zum Elektro-Installateur ausgebildet zu werden.

Dass ich diese Lehre mit Bravour durchlaufen bin, meine Lehrzeit sogar um 6 Monate verkürzen konnte und meinen Gesellenbrief mit Auszeichnung bestanden habe ist für mich eigentlich selbstverständlich.

Darauf trinken wir um 00:00 Uhr in der Kellerbar den Tomintoul Rare Old 1968/2012, Speyside Glenlivet, 45,5 %, Aged 45 Years, A Spezial Single Malt Scotch Whisky; LDT. Nr.: RO/12/06, limitiert auf 342 Flaschen

Wieder musste ich zum Eignungstest, mit überraschendem Ausgang! Es rief der Bund! Und ich hatte Pläne. Ich wollte mich für 4 Jahre verpflichten, bei der Bundeswehr meinen Meister machen und mich dann selbständig machen, denn hier zuhause hatten wir die Stallungen und die Scheune, also auch geeignete Räume.

Prof. Schrievers hat mich darin sehr bestätigt, zu ihm war ich nach der Lehrzeit in der „Maschinentechnischen Abteilung“ als Elektro-Techniker gewechselt. Oh, in der Lehre hatte ich monatlich, 80, 100 und 120 DM verdient, doppelt so viel wie meine Mitschüler in der Berufsschule. Nun kriegte ich 600 DM. Ich war König und kam mit einem alten VW vom Schrottplatz für 200 DM.

Fortan war ich „unter Tage“ für die Forschung tätig, wir maßen auf Kohlenzechen die Kräfte, die an einem Kettenpanzer auftraten, mit dem die Kohlen aus dem Flöz und dem Streb transportiert werden. Dies waren meist Nachschichten, weil da nicht gefördert wurde. Gebadet und umgezogen haben wir uns bei den Elektro- und Maschinen-Steigern, die beim Einsatz immer bei uns waren.

Beim Bundeswehr Eignungstest war ich aber hellwach. Mit mehreren Aufgaben suchte man Schwerpunkte. Zum Schluss noch ein Aufsatz. Mehrere Themen standen zu Auswahl, ich weiß meinen heute noch:

            Was würde ich machen, wenn ich reich wäre?

            Ja, was würde ich machen? Ich würde…

            Nein, ich würde…

            Auch nicht gut, ich würde…

Ach, ich weiß nicht was ich machen würde. Ich habe das Thema spontan gewählt, weil es mir als das einfachste vorkam. Denn jeder hat wohl schonmal davon geträumt reich zu sein. Doch wenn ich nun darüber nachdenke, fällt mir nichts Bestimmtes ein.

Auf jeden Fall würde ich aber weiterhin arbeiten. Denn ein Leben ohne Beschäftigung macht für mich keinen Sinn. Und bestimmt fällt mir dann auch ein, was ich alles machen könnte.

Herbert Paschhoff

Fräulein Eickholt aus der Volksschule hätte sicherlich drangeschrieben: „Ohne Aussage, sechs!“

Hier beim Bund war mir das egal.

Alle durften nach einer Wartezeit nach Hause gehen, ich nicht, zusammen mit noch zwei anderen. Die hat der Psychologe der Stadt Dortmund zusammengeschissen, weil sie trotz Abiturs wohl absichtlich Fehler gemacht hatten, was er wiederum dumm fand, weil sie deshalb beim Bund unter Wert gehandelt würden. Sie mussten den Test wiederholen. Ich war auf alles gefasst, hatte mich bei den Fachfragen echt angestrengt! Es entwickelte sich folgender Dialog:

„Sie haben einen ganz außergewöhnlichen Test abgegeben, meine Hochachtung. Und das als Elektriker, ohne Abitur!“ „Meinen Sie alle ohne Abitur sind blöd?“ „Nein, dies bestimmt nicht, doch es ist ungewöhnlich und ich lese, dass Sie sich 4 Jahre verpflichten wollen!“ „Ja, um dort meinen Meister zu machen!“ „Oh, beim Bund wird viel gesoffen, da werden Sie kaum zum Lernen kommen. Und Ihr Aufsatz passt nicht zu einem Handwerker, er ist aber toll! Haben Sie schon mal über ein Studium nachgedacht? Mit dem Ziel des Ingenieurs?“

Oh man, die alle mit ihrem weißen Kittel! 😉

Natürlich habe ich das stolz zuhause erzählt. Und Mutter war wieder Feuer- und Flamme. „Ja, mach das Junge, willst doch nicht dein ganzes Leben lang auf die Zeche oder den Bau gehen!“ He, ich war doch gar nicht auf dem Bau. Nur wenn es nach Feierabend noch auf „Schwarzarbeit“ ging.

Ich habe mich informiert, auch bei Jürgen Heinze, meinem Rivalen bei Gisela, meiner späteren Frau. Oh, er war Atheist und mit ihm konnte ich so herrlich über Gott und die Religion streiten. Er ging zur Fachoberschule am Ostring, wo auch die Berufsschulen untergebracht waren, die ich ja noch kürzlich besucht hatte. Als ich ihm den Grund meines Interesses schilderte, meinte er nur: „Du? Was willst du denn da, das schaffe ich ja kaum!“

Mehr Zuspruch brauchte ich nicht! 😉

Am nächsten Tag habe ich mich angemeldet. Und da wir in NRW gerade Kurzschuljahre hatten waren wir auch noch gleichzeitig fertig. Doch wieder kam es zu einem Wendepunkt in meinem Leben. Politisch waren es bewegte Zeiten, 68er-Generation, Studentenrevolten, Brandt mit neuer Ostpolitik. Im Politikunterricht gings hoch her; einer gegen alle. Denn außer mir waren entweder, alle stille Duckmäuser, oder ultralinks.

Auch unser Klassenlehrer, Herr Kipper, bekennender DKP Anhänger, trotzdem kriegte ich von ihm meine Einsen. Und irgendwann nahm er mich zur Seite: „Herr Paschhoff, sie sind politisch so engagiert, können so toll argumentieren und streiten und treten ganz fest für ihre Sache ein. Warum gehen Sie nicht in die CDU, die brauchen da doch Leute wie Sie?“

Den Rest der Pause verbrachte ich vor der Schule an einem Informationsstand der Jungen Union wo ich zum ersten Mal Bernhard Dittrich traf, der hier in Harpen die Junge Union leitete und Kreisvorsitzender werden wollte.

Irgendwann war ich auch Mitglied, doch dazu bedurfte es Dieter Barth, den damaligen SPD-Stadtverordneten von Harpen. Oh, ihn hatte ich eingeladen als Referent in meinen „Politischen Arbeitskreis“ bei der DSJ, der deutschen Schreberjugend, wo ich aktiv war und den Diskussionskreis leitete. Oh man, es war ein Wochenseminar in der Jugendherberge in Oer-Erkenschwick. Was hat der Mann für ein Blech erzählt, was war er schwach. Dies merkten meine 15- bis 17-jährigen auch und haben ihn kollektiv auseinandergenommen, egal, wo sie politisch eigentlich standen.

An diesem Sonntag habe ich zu meiner Gisela gesagt; „Oh man, wenn der Stadtverordneter ist, dann werde ich Bundeskanzler!“ Später habe ich noch manchen Strauß mit ihm ausgefochten.

Ich wusste vom Info-Stand, dass die Junge Union im „Harpener Hof“ tagte, eine Gaststätte in Harpen. Ich bin zum Wirt Herrn Förster und habe den nächsten Termin erfragt und war dann hingegangen. Wow, da war ich richtig. Später war ich dann selber lange der JU-Vorsitzende von Harpen, noch später auch der der CDU. Wolfgang Heppekausen, mein Pressesprecher, hat daraus damals die Pressemitteilung gemacht: „Herbert Paschhoff zum jüngsten CDU-Vorsitzenden in Westfalen gewählt!“ Doch soweit war es noch nicht. Wo ich viele andere Gleichgesinnte traf, traf ich dort auch X, X. M., meinen zweit ältesten Freund. Diese tolle Freundschaft geht zurück auf diese Zeit. Doch ich musste ihn erst von mir überzeugen, denn er war, wie die anderen auch, voller Misstrauen. Denn ich war wirtschaftlich ganz frei liberal aufgestellt, klar Arbeitgeberflügel (wie Papa mir das gepredigt hat) und, was fast noch schlimmer war, evangelisch. Beides zusammen war denen allen wohl hoch suspekt. Denn sie kannten sich alle schon lange aus der Kirchenarbeit bei der Katholischen Gemeinde.

Oh, die JU wurde zur Passion und sie wurde für meine Gisela und mich eine zweite Heimat. Denn alle waren in unserem Alter, Detlev Brinkmann und seine Christa Fuchs, genauso wie Michael Greif mit seiner Marina, die eigentlich Maria hieß. Ach, da war auch Wolfgang Hegemann, mit seiner Manga. Und die etwas älteren, wie Dieter Roxlau und Bernhard Dittrich waren schon weise.

Na, toll waren unsere Wochenendseminare, zu denen wir im eigenen Wagen gefahren sind. Bis nach Burbecke im Sauerland und bis nach Lengerich im Münsterland. Auch Seppenrade mit seinem Rosengarten habe ich dadurch kennengelernt. Bei den Seminaren waren wir unter uns – und hatten paarweise ein Zimmer! Wow, dies war viel besser als zuhause, wo Mama und Papa ja immer zugehört haben.  

Nach den politischen Vorträgen und den Diskussionen über die politischen Themen war am Samstagabend immer Tanzabend. Wer war der Disc-Jockey? Klar; ich.

Gisela kam dabei nicht zu kurz, denn sie hatte X zum ausgelassenen Tanzen, bei dem ich „Teddy“ mich schwergetan habe. X war damals noch solo, V trat erst viel später in sein Leben. Oh, ich glaube, hatte damals auch ein Auge auf „meine“ F geworfen. Doch bei der konnte ich ganz sicher sein, sie hatte nur Augen für mich. Und ich sorgte für die tolle Musik, mit Plattenspieler und Tonband im Wechsel.

Denn ich hatte ganz viele Schallplatten, weil mich Musik schon immer interessiert hat und deshalb gibt’s kein bekanntes Lied aus den 50er bis 1990er Jahren, dass Herbert nicht in seinem Computer hat. Momentan höre ich „Ein bisschen Frieden“ von Nicole, vorher hatte Martin Lauer sein „Am Lagerfeuer“ gesungen, eines meiner Lieblingslieder aus früher Jugend.

Ganz oft spiele ich mir auch „Mit 17 fängt das Leben erst an“, von Ivo Robic vor. Doch das stimmt nicht so ganz, es gibt ein Leben davor und eines danach.

Meines spielte bei der JU, auf der Fachoberschule und danach auf dem Pütt. Denn ich wollte natürlich Elektrotechnik studieren, dies wieder bei meiner WBK, die ja die Bergschule in Bochum beherbergte. (Daher die vielen Professoren in meiner Ausbildung, als Leiter der verschiedenen Lehrinstitute und Labore.)

Fürs Studium brauchte man nicht nur die Oberschul-Reife, die ich mit Bravour in der Tasche hatte, sondern auch ein halbjähriges Praktikum als Schlosser. Für eine Bergschule machte man dies am besten auf einer Zeche und so lernte ich die Zeche „Hannover Hannibal“ in Bochum-Hordel kennen, wo ich nun als Grubenschlosser auf Nachtschicht ging.

Was meinen Eltern gefiel, denn dadurch konnte ich am Nachmittag auf dem Feld arbeiten. Nur für die JU war es nicht so toll, weil die Schicht um 22:00 Uhr begann. Dann gings mit dem Förderkorb runter auf die 7. Sohle, etwa 1.000 Meter tief.

Oh, es ist ein unheimliches Erlebnis über sich 1.000 Meter Gestein zu wissen, nur abgestützt, durch ein paar Eisenstempel. Doch man glaubt nicht, wie schnell man sich daran gewöhnt, es zur Routine wird und man irgendwann gar nicht mehr dran denkt.

Man hört immer was von der harten Arbeit unter Tage! Die habe ich nur selten kennengelernt. Da war ich vom Feld und vom Bau ganz anderes gewohnt. Auf der Zeche hatte ich meist einen guten Lenz und habe mit meinen Kollegen viel geschlafen. Was aus Sicherheitsgründen strengstens untersagt war. Weswegen immer einer von uns aufpassen musste ob nicht ein Steiger kam. Die erkannte man an den Kopflampen schon von weiten, denn es war ja immer stockdunkel. Insgesamt war es eine gute Zeit.

Nur an diesen unglaublichen Dreck, der dort herrschte, konnte ich mich bis zum Schluss nicht gewöhnen. Denn nie machte dort jemand sauber und dass man meist selbst auch unglaublich eingesaut wieder hochgefahren ist, um dann duschen zu können ist immer noch eine ziemlich ekelige Vorstellung für mich.

Wow, doch an jedem Tag konnte ich wenigstens saubere Sachen anziehen, denn die hatte meine Mutter für mich gewaschen, der Pütt selber machte dies nur wöchentlich einmal.

Doch auch diese Zeit ging vorbei, mehrere Wochen hatte ich darin krankgefeiert, weil ich mir an einer zusammenspringenden Seilscheibe eines Förderbandes alle Fingerkuppen der rechten Hand abgerissen hatte. Aua!

Am 18.02.1971 war für mich „Schicht am Schacht“!

Es begann mein Studium, bei der WBK (Bergschule = Ingenieurschule)

(Wird fortgesetzt.)

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